Protokoll "Kritik linker Männlichkeit - Fortsetzung (für cis-Männer)" vom AMS-Freitag 2021


Inhaltswarnung: Thematisierung von misogynen, frauenfeindlichen Gedanken; Oberflächliche Thematisierung von sexualisierter Gewalt

Im Folgenden wird der Vortrag „Kritik linker Männlichkeit-Fortsetzung für cis-Männer“ vom Freitag Nachmittag auf dem AMS protokolliert, der an den für alle zugänglichen Vormittagsworkshop „Kritik linker Männlichkeit“ von Hexe anschloss. Es wird sowohl das Skript des Vortrags dokumentiert, als auch Diskussionsbeiträge von Teilnehmenden und Einflüsse der FLINTA-only Runde nach Hexes Workshop. Die inhaltliche Auswertung und Aufbereitung des Vortrags und der Diskussion ist noch nicht abgeschlossen und wird hier noch nicht dargestellt.

Zur Transparenz, warum gerade von diesem Workshop ein inhaltliches Protokoll veröffentlicht wird: Zum einen gab es das berechtigte Interesse von FLINTA-Personen aus dem AMS Umfeld, dass es irgendeine Form des überprüfbaren Outputs (in diesem Fall die Dokumentation des Protokolls) geben muss, wenn der Workshop nur für cis-Männer offen sein soll.
Zum anderen werden an die Auseinandersetzung mit der Thematik, welche seit Jahrzehnten Teil linker Debatten ist, und an diesen Workshop viele berechtigte Erwartungen gestellt. Dieser soll ein Beitrag dazu sein, dass cis-Männer kollektiv Verantwortung für ihr Verhalten übernehmen, andere cis-Männer konfrontieren und sich kollektiv darin unterstützen männliches Verhalten zu dekonstruieren. Wir sehen es daher als Notwendig an diese Prozesse transparent zu machen und die Diskussion und Auseinandersetzung präsent zu halten. Reaktionen, Kritik, Nachfragen, Workshop-Anfragen, sind ausdrücklich erwünscht! Wir sind selbst im Lernprozess, handeln und argumentieren gegen (linke) Männlichkeit aus einer Hetero-Cis-männlichen Perspektive, die daher nicht frei von Widersprüchlichkeiten und blinden Flecken ist. Unser Ziel ist es ausgerichtet an den Bedürfnissen von FLINTA-Personen pro-feministisch zu agieren.

Der am häufigsten gegenüber dem Referenten geäußerte Kritikpunkt war, dass der Workshop nur für cis-Männer offen war. Dies wurde sowohl vor, während als auch nach dem Workshop von einigen Menschen kritisiert. Die Entscheidung den Workshop nur für cis-Männer anzubieten, resultierte aus Erfahrungen des Referenten und der Workshop-Orga, dass cis-Männer sich in gemischtgeschlechtlichen Runden weniger trauen über ihre Fehler zu sprechen oder das Setting zur Selbstdarstellung als reflektierter Typ nutzen. Darüber hinaus war es das Ziel FLINTA-Personen in dieser Hinsicht (Kritik an linker Männlichkeit zu üben) zu entlasten und einen Modus zu versuchen, in dem cis-Männer gemeinsam reflektieren und an sich arbeiten können. Gleichzeitig hat es einen faden Beigeschmack, dass sich cis-Männer untereinander unter Umständen Dinge erzählen, die sie gegenüber FLINTA-Personen nicht äußern würden oder sich abgeschottete, männerbündische Strukturen bilden könnten. Ein Argument, dass dafür spricht den Vortrag nur für cis-Männer anzubieten, ist der Umstand, dass der Redeanteil von cis-Männern in Hexes Workshop höchstens bei 10% im Vergleich zu 90% FLINTA-Beiträgen lag. Innerhalb des reinen cis-Männer Settings gab es eine wesentlich höhere Diskussionsbeteiligung und es haben sich mehr verschiedene Personen zu Wort gemeldet. Auf die Frage, warum die ganzen Redebeiträge nicht auch schon bei Hexes Workshop vorgebracht wurden, gab es keine Antworten. Wir betrachten das reine cis-Männer Setting daher als einen Versuch pragmatisch mit der allgemein vorherrschenden Blockadehaltung aus Scham, Ratlosigkeit, Ignoranz und Selbstdarstellung von cis-Männern umzugehen.

Im Nachhinein hätten sich noch einige Personen gewünscht, dass sich der Workshop nicht nur an cis-Männer, sondern an alle Menschen, die eine „männliche Sozialisation“ durchlaufen haben bzw. sich mit Männlichkeitsanforderungen konfrontiert sahen/sehen, gerichtet hätte. Diese Kritik wird bei zukünftigen Vorträgen berücksichtigt.

Zunächst wird der Ankündigungstext dokumentiert, eine kurze Einschätzung zum selben Vortrag während des AMS-Aufbaus gegeben und die Diskusion um Fragen zum Vormittags-Workshop protokolliert. Anschließend folgt das Protokoll des Vortragsskripts und der Diskussionen vom Freitag. Er gliedert sich in 4 Blöcke zu den Themen männliche Sozialisation, dem Übergang vom Jungen zum linken Mann, der Problematisierung einiger linker männlicher Verhaltens- und Denkweisen und einer Beleuchtung von kritischen Aspekten der „kritischen Männlichkeit“. Während, aber vor allem nach jedem Block gab es Raum für Diskussion.

Um die Übersichtlichkeit zu wahren, werden Teile des Skripts und des Protokolls erst sichtbar, wenn man auf den kleinen Pfeil neben den hervorgehobenen Überschriften klickt. Diskussionsbeiträge von Teilnehmenden werden durch ein "T" gekennzeichnet, Beiträge des Referenten mit "R". Nachträglich hinzugefügte Einschübe und Beiträge aus der FLINTA-Runde nach dem Vormittags-Workshop sind kursiv hervorgehoben.

 

+ Ankündigungstext

„Innerhalb der linken Szene und auch beim AMS gibt es eine weitverbreitete und berechtigte Unzufriedenheit, mit dem Umstand, dass die Auseinandersetzung und Veränderung von sexistischem Verhalten und Strukturen überwiegend bis ausschließlich von FLINTA-Personen geleistet wird. Von der Kritik „klassischer“ Rollenverteilungen in Orga- und Arbeitsabläufen, über die Reflexion von Rede- und Partyverhalten, bis hin zur Unterstützung betroffener Personen von grenzverletzendem Verhalten und Arbeit mit gewaltausübenden Personen: Linke cis-Männer glänzen meist mit Zurückhaltung, Widerwillen, Planlosigkeit oder Abwesenheit. Warum ist das so?

Ergänzend zum Workshop „Kritik linker Männlichkeit“ am Vormittag soll hier ein Raum geschaffen werden, in dem wir uns eingängig mit der vorgebrachten Kritik an unserer eigenen linken cis-Männlichkeit beschäftigen. Ausgehend von einem Inputreferat thematisieren wir unsere linke cis-männliche Selbstbildpflege, eigene Rechtfertigungsmuster gegenüber feministischer Kritik, Techniken der Heuchelei, das Entstehen von linker Männerbündelei und inwiefern wir männliche und frauenherabsetzende Intentionen und Verhaltensmuster in unserer politischen Arbeit und unseren sozialen Beziehungen reproduzieren.“

 

+ Einschätzung des Vortrags während des Aufbaus

Neben dem Vortrag auf dem AMS gab es den selben Vortrag auch schon während des AMS Aufbaus für die cis-Männer der Orga-Crew. Auf diesen soll an dieser Stelle kurz eingegangen werden:

Im Gegensatz zum Vortrag während des Camps gab es nur sehr wenige Rede- und Diskussionsbeiträge. Die wenigen Inhalte, die von Teilnehmenden angesprochen wurden drehten sich um die prinzipielle Unveränderbarkeit von gesellschaftlich vermittelten Geschlechterrollen, eigene männliche Zurichtungserfahrungen im Patriarchat und Planlosigkeit nach Kritik an eigenem männlichen Verhalten. Darüber hinaus gab es einzelne Danksagungen für den Vortrag. Eine wirkliche Diskussion oder ein gemeinsamer Austausch kam nicht auf. Dies führen wir zum einen auf Probleme bei Methodik und Setting zurück. Der Vortrag fand nach einem zehn Stunden Arbeitstag, in einem kalten Zirkuszelt statt und die Konzentration war recht gering und das Gefühl der Teilnahmeverpflichtung recht hoch. Darüber hinaus wurde der sehr lange Vortrag recht schnell gehalten, es gab keine Handouts zum Mitlesen und viele Teilnehmende formulierten ihr Gefühl der Überforderung und Erschlagenheit. Bevor man einen Gedanken verarbeiten konnte wurde schon der nächste Gedanke präsentiert. Auf der anderen Seite musste der Referent feststellen, dass es einen immensen Unterschied macht ob man über eigene und fremde Männlichkeiten vor teilweise recht engen Freunden und Genossen redet oder eine eher unbekannte und anonyme Zuhörerschaft vor sich hat. An dieser Stelle war zu spüren welchen Einfluss Kritik an Männlichkeit auf soziale Beziehungen unter Männern haben kann (und umgekehrt) und wie die sozialen Verstrickungen die Workshopsituation in erheblichem Maße mitbeeinflusst haben und männliche Blockadehaltungen verstärken. Das eigentliche Ziel des Vortrags, nämlich, dass sich linke cis-Männer (insbesondere im Freundeskreis und sozialen Nahumfeld) gegenseitig verantwortlich halten, Männlichkeit als Problem aneinander wahrnehmen und in einen kritischen Austausch darüber kommen, wurde durch das Setting eher konterkariert.

+ Fragen zum ersten Teil "Kritik linker Männlichkeit" (von Hexe)

Zu Beginn des Workshops am Freitag wurden den Teilnehmern einige Fragen zu Hexes Vormittagsworkshop gestellt. Diese werden hier zusammen mit den Antworten der Teilnehmenden dokumentiert:

Fragen zu Hexes Workshop:

- Wie geht es euch nach dem Workshop?
- Habt ihr mit Freunden/Genossen in der Pause geredet und was?
- An welchen Stellen hast du Widerstände bei dir gemerkt?
- An welchen Stellen hattest du das Gefühl von Betroffenheit?
- Was ging währenddessen im Kopf ab? Haben die gesagten Sachen auf euch zugetroffen? Gab es da einen Moment von Überprüfen? Hättet ihr ein Bingo gehabt?
- Welches Bedürfnis hattet ihr bei euren Redebeiträgen?

Antworten der Teilnehmenden:

T: Die eigene Erfahrung zeigt durch Drogenkonsum war es möglich mit anderen Männern in einen emotionalen Austausch zu kommen, wie es nüchtern nie möglich ist. Vermutlich kann Mann das schon, traut sich aber nüchtern nicht.
T: In vielen Sachen wiedererkannt, seid langem schon selbst in der Auseinandersetzung
T: Nach dem Workshop heute Vormittag mit FLINTA* darüber gesprochen, großes Problem mit Männern darüber zu sprechen
T: Punkt der am meisten hängen geblieben ist: Erster Schritt zur Konstruktion der eigenen Männlichkeit, als Abgrenzung zur Weiblichkeit, die Abgrenzung zur eigenen Mutter.
T: Wenn Menschen sich austauschen wollen, dann gibt es nicht in jeder Stadt kritische Männlichkeits Gruppen
=>
R: Es braucht diese Gruppen auch nicht unbedingt, die Auseinandersetzung muss schon viel früher, im eigenen Freundeskreis als Alltäglichkeit beginnen und muss nicht in eine solche Gruppe verlagert werden. Außerdem kann man auch selbst eine solche Gruppe gründen.
T: Es ist schwierig die eigenen Widerstände zuzulassen
T: Gleiche Diskussion seit 30 Jahren, aber die Qualität in der Auseinandersetzung fehlt. Reproduktion der Verhaltensweisen i.d. Linken, genauso wie in der bürgerlichen Gesellschaft.
T: Selbst von vielem Betroffen, durch Kinder, der Alltag überfordert, diese Belastung macht es schwer mit sich selbst auseinanderzusetzen.

+ Vorbemerkungen

Motivation für Vortrag war Konfrontation mit eigenem männlichen Verhalten, Erfahrungen mit linker Männlichkeit aus Selbstbeobachtung und Fremdbeobachtung bei Genossen und Freunden sowie die Debatten innerhalb der bundesdeutschen Linken seit den Vorfällen bei Monis Rache, insbesondere die Artikel von Jeja Klein, Bilke Schnibbe, Kim Posster und Gruppe 8.Mai zum Thema „Linke Männlichkeit“.

Wenn im Folgenden Kritik an linker cis-Männlichkeit geübt wird, soll das nicht heißen, dass alle rumlaufen wie die hinterletzten Chauvi-Trampel. Natürlich gibt/gab es bei uns allen sinnvolle Reflexionsprozesse. Workshop-Zeit soll aber nicht fürs Schulterklopfen drauf gehen und wenn die Thematisierung von linker Männlichkeit hier undifferenziert wirkt, ist das durchaus beabsichtigt.

Anstatt einer lupenreinen Ableitung von Männlichkeit in seinen Wechselwirkung und Bedingtheit vom Kapitalverhältnis, sollen - basierend auf Eigenwahrnehmung, Gespräche und Beobachtungen mit/bei Genossen und aktuellen Debatten über linke cis-Männlichkeit - fragmentarisch Momente und Stolpersteine linker cis-Männlichkeit und ihrer Bearbeitung innerhalb der Szene beleuchtet und diskutiert werden.

An den Stellen wo es um sexuelles Begehren geht wird sich leider ausschließlich auf Hetero-Männer fokussiert. Bitte um Entschuldigung.

+ Block 1: Männliche Sozialisation

- Ausgangspunkt: Aufwachsen in patriarchaler Gesellschaft, gedanklich Stellung nehmen zu Normen, Bildern, Werten, Einstellungen, Verhalten und insbesondere Erwartungen, die an einen gestellt werden. usw. Gleichzeitig in Erinnerung rufen: es ist es noch nicht allzu lange her, dass Frauen* überhaupt einen hart erkämpften Subjektstatus vom bürgerlichen Staat zugestanden bekommen haben und erfahrungsgemäß solche gesellschaftlichen Veränderungen sich erst langsam in der Gesellschaft niederschlagen.

- Frühes Erlernen, dass es in sozialen Situationen vorteilhaft ist „männlich“ zu sein bzw. auf keinen Fall als „unmännlich“ wahrgenommen zu werden (Gemäß dieser Maxime bilden sich: Interessenwahl, Aussehen, Geschmack, Beziehungsgestaltung, Konkurrenz, Selbstdarstellung, Humor, Erfolg, sexueller Erfolg, ausschließlich männliche Vorbilder, Stärke, Unnahbarkeit, sexuelles Begehren, Auftreten und Habitus, Autonomie und Souveränität usw. + offensive Zurückweisung von Weiblichkeit - Mädchen sind „eklig und doof“ oder mindestens anders und nicht dazugehörig bis sie in der Pubertät wieder „interessant“ werden, verinnerlichen und verstärken des Geschlechterdualismus, schwul als Diffamierung etc.) In der männlichen Identität wird Streben nach Überlegenheit und Unangreifbarkeit zur Dauerbeschäftigung. Männliche Identität ist daher krisenhaft, weil sie ständig in Frage gestellt wird und sich ständig beweisen muss. (Beispiele Jugend & Pubertät; „freundschaftliches“ Dissen, Anstacheln & Sprücheklopfen auch in linken Kontexten und Freundschaften; zu Schwere Dinge tragen und den Hexenschuss mit Anfang 30 nicht aufm Schirm haben; Alkohol- und Drogenkonsum etc.)

- Sprich: Der GESAMTE Charakter ist ziemlich sicher bei so gut wie allen Männern durchzogen und geformt von tief verinnerlichten Männlichkeitsanforderungen, die dann auch tatsächlich die Interessen des Individuums sind und sich im Willen, Impulsen, Affekten, Gefühlen etc. der Individuen niederschlagen. Weil Männlichkeitsanforderungen den Charakter in fast jeder Hinsicht durchziehen, haben kritisierte linke Männern irgendwann das Gefühl, dass man ja „gar nichts mehr darf“ und von einem „nichts übrig bleiben würde“ wenn feministische Kritik ernst genommen werden würde. In diesem wahrgenommenen Bedrohungsszenario zeigt sich die Angst vor Autonomieverlust der Persönlichkeit. Diese bittere und den inneren Zusammenhalt des Subjekts bedrohende Einsicht ist ein Grund für Abwehrhaltungen bis hin zum antifeministischem Dauerbrenner der übertriebenen Kritik oder Männerfeindschaft.

- Tricky: Männer gelten in dieser Gesellschaft als die Norm. Diese feministische Binsenweisheit schlägt sich auch im Subjekt nieder, d.h. Männer halten sich für die Norm, halten ihre Wahrnehmung, Gedankenwelt, Gefühlswelt, Sexualwelt für die Norm bzw. für geschlechtslos. Im Subjekt entsteht so im Bezug auf den eigenen Charakter der Schein von Natürlichkeit, von so bin ich halt und ich kann mir gar nicht vorstellen anders zu sein. Verinnerlichte Ausprägungen der eigenen Männlichkeit sind daher auch nicht immer für einen selber unmittelbar als solche zu erkennen. (→ Wichtiger Hinweis für all die Bereiche wo man meint: ich mache das mit meiner Männlichkeitskritik mit mir selbst aus)

- Zusätzlich zu diesem sich als Norm setzenden Bewusstsein findet eine massive, willentliche und wissentliche Nicht-Beschäftigung mit und Herabstufung Weiblichkeit an sich und weiblichen Lebensrealitäten statt. Jungs wissen ganz genau was Mädchen- Tätigkeiten, Filme, Bücher, Serien, Musik, Gesprächsthemen, oder zusammengefasst Mädchenkultur ist. Interesse dafür wird sozial negativ sanktioniert (Sanktion ist aber meistens gar nicht nötig). Männliche Identität bildet sich maßgeblich durch die Distanzierung und Abwertung von Weiblichkeit.

- Darüber hinaus sind Jungs für Mädchen so gut wie nie emotionale Bezugspersonen, an die man sich mit emotionalen Problemen wendet. Mädchen und Jungs wenden sich für emotionale Care Arbeit so gut wie ausschließlich an Mädchen genauso wie später Männer und Frauen sich fast ausschließlich an Frauen wenden. Die Lebensrealitäten von Frauen werden somit sowohl durch den zur Norm und Natürlichkeit erhobenen männlichen Blick als auch durch die konsequente Nicht-Beschäftigung mit der Realität von Frauen ausgeblendet. Es entsteht ein enormer Mangel an Empathie von dem man teilweise nicht einmal weiß dass dieser Mangel besteht. Bei FLINTAs macht sich deshalb des Öfteren auch völliges Unverständnis breit wieso Typen manche Dinge einfach nicht sehen und verstehen (können). (Das wird auch im linken Erwachsenenalter nicht allzu sehr nachgeholt: Feministische Theorie wird schon wenig gelesen geschweige denn persönliche Erfahrungsberichte, Serien, Filme über die Auswirkungen patriarchaler Gewalt. Außerdem disqualifiziert man sich selbst meist durch seine emotionale und kommunikative Inkompetenz als Gesprächspartner über die persönlichen, wirklich bitteren Themen im Leben von FLINTAs)

+ Diskussion Block 1

T: Bezugnehmend auf die Vorbemerkung, dass es nicht um die Verwobenheit von Männlichkeit und Kapitalismus gehen soll: Männlichkeitsanforderungen wie Konkurrenz, Stärke beweisen, Durchsetzungsvermögen etc. kommen aus Kapitalverhältnis, deshalb muss man darauf eingehen.

R: Eine solche Betrachtungsweise lenkt den Blick weg von der eigenen besonderen Männlichkeit und will sich lieber mit den abstrakten Vorraussetzungen von Männlichkeitsanforderungen beschäftigen. Die Frage will also weg davon, sich mit der eigenen Identität zu beschäftigen und fragt nach den dahinter liegenden allgemeinen Gründen. Das Allgemeine wird so gegen das Besondere (das man in diesem Fall selbst ist) ausgespielt. Dabei ist männliches Konkurrenzverhalten nicht identisch mit den Anforderungen der kapitalistischen Konkurrenz, wer sich also bei der Frage nach dem eigenen männlichen Verhalten mit dem Kapitalverhältnis beschäftigt übergeht so zum einen das Spezifische an männlicher Konkurrenz und Männlichkeit und verschiebt die Problematisierung von Männlichkeit auf einen dem Kapitalverhältnis untergeordneten Rang, da mit der Abschaffung des Kapitalismus auch das Problem mit Männlichkeit gelöst wäre. Ich halte dies für ein logischen Fehler und für eine Technik sich der Auseinandersetzung mit der eigenen männlichen Psyche zu entziehen. Stattdessen soll es heute um das Besondere, also um unseren eigenen männlichen Charakter gehen.

T: Eigene Erfahrungen aus kritischen Männlichkeitsgruppen zeigen, dass es meist nicht um die individuelle Frage, sondern meist um die gesellschaftliche Ebene geht.
T: Als weißer Cis-Mann ist Diskriminierung nur schwer nachzuvollziehen, es geht aber darum die Verstrickung von Diskriminierung zu verstehen und die individuelle Position darin zu kapieren.
T: Wenn Empathie gebraucht wird, geht Mann zu Frauen, weil klar ist die können das und Männer nicht.
T: Wenn Männer Empathie aufbringen, haben sie meist ein Harmoniebedürfnis, auch wenn sie das von Frauen einfordern. Eine Konfrontation mit eigenen Verhaltensweisen ist dabei unerwünscht und es wird häufig abgewogen was auf einen zurück fallen kann und wie etwas angesprochen wird. Häufig geht es darum das Problem in ein Harmoniebedürfnis zu überführen.

Aus der FLINTA-Runde: Sich einen emotionalen Zugang zu weiblicher Sozialisation zu erschließen hilft sehr – dazu gibt es Unmengen an Literatur/Filmen/Serien – beschäftigt euch selbst damit und redet mit uns über unsere eigenen Erfahrungen.

+ Block 2: Aus Jungs werden linke Männer

- Szeneeinstieg bzw. Interessensentwicklung für linke Themen wird bei cis-Männern eigentlich nie durch Kritik am Geschlechterverhältnis ausgelöst. (sondern Antifa, Antikrieg, Umwelt, soziale Gerechtigkeit, Punk etc.)

- Sexismus wird als eine weitere Unterdrückungskategorie kennen gelernt, gegen die man sich wenden will. Der Kampf gegen Sexismus und Patriarchat wird prinzipiell als gut und richtig beurteilt und linke cis-Männer nehmen sich (wenn es gut läuft) Selbstreflexion vor, meistens (zunächst) in Form des Lippenbekenntnisses.

Fragen:
Warum und Wie habe ich angefangen mich mit Sexismus zu beschäftigen?
Gab es darüber eine offene Auseinandersetzungen mit anderen Männern in meiner (damaligen) Clique?
Falls es solche Auseinandersetzungen gab waren sie persönlich oder allgemein/gesellschaftstheoretisch?
Habe ich Sexismuskritik ausschließlich/überwiegend mit mir selber ausgemacht?

+ Diskussion Szeneeinstieg und Sexismuskritik

Diesen Fragen wurde in einer 25 minütigen Flüsterdiskussion in Kleingruppen Platz gelassen, es kam zu einem regen Austausch in Kleingruppen. Daraus wurde mit der Großgruppe folgendes geteilt:

T: Das erste was Mann über Sexismus lernt ist, dass Frauen keine unsittlichen Berührungen wollen. Weiter geht das Verständnis in der Jugend meist nicht.

T: Individuelles Interesse, aber meist aus Szenedruck heraus, hat dazu geführt sich damit zu beschäftigen.

T: Beschäftigung mit Sexismus, eher aus etwas moralischem, wurde als etwas verdecktes wahrgenommen, erster Impuls war schon damals: sich bloß nicht angreifbar machen

T: Möglichkeit durch polyamore Beziehungen aus der Heteronormativität heraus zu treten

R: Hinweis darauf, dass Offene- oder Polybeziehungen oft Mittel zur Durchsetzung von männlichen Sexualinteressen sind, insbesondere da viele Typen eher schlecht und sehr auf sich bezogen innerhalb solcher Beziehungsformen kommunizieren.

+ Block 2 Fortsetzung

- Behauptung: Mit dem Eintritt in die linke Szene werden diese männlichen Willensinhalte und Charakterzüge nicht prinzipiell aufgearbeitet und negiert sondern finden eine moralische, mehr oder weniger gesellschaftsfähige Verlaufsform innerhalb der Szene (so wie in der bürgerlichen „Normalgesellschaft“ ebenso). So werden manche männliche Eigenschaften, insbesondere leicht Einsehbare und Veränderbare, reflektiert, im Sinne von störendes Verhalten abstellen oder abschwächen und die Gründe dafür kennen, aber keine Reflexion auf dahinter liegende Einstellungen, Intentionen, Muster. Generell werden männliche Interessen aber eher gezügelt und/oder finden neue szenespezifische Betätigungsfelder.

- Auch die Linke Szene bietet enorme Anknüpfungspunkte für männliche Interessen: So erfahren zwar beispielsweise die Ideale der Unabhängigkeit und des Kämpfertums in der linken Szene einen Widerspruch durch die Kritik am Patriarchat, werden aber weiterhin als Ideale auch in der Szene hofiert, die bekanntermaßen überwiegend männlich konnotiert ist. Das was man eigentlich bekämpfen will (Patriarchat) bleibt so in verschleierter Form weiterhin Teil der eigenen Identität und zu einem guten Stück unsichtbar. Politische Ideale von Autonomie und Herrschaftskritik eignen sich bestens um Männlichkeitsanforderungen zu reproduzieren und es findet eine Verwechslung zwischen diesen politischen Idealen und der eigenen männlichen Persönlichkeitspflege statt. Auch Konkurrenz und Selbstdarstellungsdrang finden sowohl in Theoriekreisen als auch in aktionsorientierten Autonomenkreisen genug Anlass (auch darum wer der bessere, kritischere Mann ist). Mit anderen Männern verbindet man nachwievor eher Party/Exzess/Politik/Hobbies und mit Frauen das Emotionale und Sexuelle. Der Umgang gegenüber neu kennen gelernten Männern ist tendentiell kumpelhaft und gegenüber neu kennengelernten Frauen tendentiell höflich, distanziert, vorsichtiger. Beim Sex wird versucht das tendenziell rücksichtslose Begehren mittels formalisierter Konsenstechniken rechtlich-moralisch abzusichern und man ist auf der Suche nach einer Art Bedienungsanleitung, wie man (noch) Sex haben darf/kann usw.

+ Diskussion Block 2

T: Die Ausführungen haben inneren Widerstand hervor gerufen, da diese auf eine sehr subkulturelle linke Szene passen, jedoch in der Klimabewegung ganz andere Erfahrungen gemacht wurden, die zeigen, dass Veränderung durchaus möglich ist.
(Nachtrag des Referenten: dieser Hinweis, dass in der Klimabewegung sehr viele positive Veränderungen gemacht wurden, kam auch schon im Vormittags-Workshop und auch während des Camps des Öfteren. Wir sind diesbezüglich ein wenig skeptisch, aber es ist schön zu hören, wenn es andere schaffen zu reflektierten und das auch in ihren Strukturen umsetzen. Durch unsere eigenen Erfahrungen mit/in der Klimabewegung, beispielsweise die Anfangszeit im Hambacher Forst, können wir das leider nicht bestätigen)

T: wenn Frauen* kein sexuelles Interesse an mir zeigen, fällt es sehr schwer das einzuordnen und zwischen Sex und mir zu unterscheiden.

T: Nachfrage ob Referent gegen Konsens sei?

R: Nein. Die Frage beim Thema Konsens ist eher (und daher funktioniert das auch oft eher schlecht als recht): Bin ich wirklich daran interessiert mit der anderen Person unsere Sexualität zu entdecken oder habe ich konkrete Vorstellungen und einen rücksichtslosen, egoistischen Bezug auf die andere Person/den anderen Körper und Konsens stellt das Mittel innerhalb einer sensibilisierten Szene um das rechtlich/moralisch abzusichern → Gefühle bei einem Nein – Enttäuschung bis Wut; gibt auch viele Wege jemandem ein Ja abzutrotzen

T: Immernoch besser als ganz ohne Konsens.

R: Stimmt natürlich, Konsens unverzichtbar; die Impulse und Motivationen beim Thema Konsens und männlicher Sexualität generell sollten trotzdem nicht unproblematisiert bleiben. Konsens bzw. überhaupt der weibliche sexuelle Wille ist in gewisser Hinsicht die Negation des in dieser Gesellschaft allgegenwärtigen Souveränitätsanspruch von Männern über Frauenkörper (erlernte Sexualitätsideale in der Pubertät, Sexualisierung von weiblichen Stars, Pornos etc.) und auch viele linke Männer geraten dadurch in nicht zu unterschätzende Identitätskonflikte.

Aus der FLINTA-Runde: Es gibt eine große Dissonanz zwischen „guten vs. Schlechten“ Verhalten. Eine gute Prävention ist sich „dont`s“ klar zu machen und daraus positives abzuleiten.

T: In linken Strukturen wird vor Allem von Männern Aktionismus positiver bewertet, als wichtige Hintergrundarbeit

T: Sich in neuen Strukturen (Beispiel AMS-Aufbau) beweisen zu wollen und zu zeigen „was man drauf hat“, wird nicht in Repro-Arbeit gesucht, sondern in Sachen die zur Profilierung taugen (Bsp.: handwerkliche Arbeiten)

T: Ein wichtiger Punkt der umtreibt: wie kann ich mir Selbstwert und Selbstliebe beibringen? Nicht hippiehaft gemeint, sondern ernst. Es fällt auf, dass an linken Orten Alkohol, Drogen und anderer Exzess einen großen Stellenwert haben. Rückmeldung an die Orga des Camps: man hat das in der Hand das Setting dafür zu verändern!

T: Die eigene Erfahrung zeigt, bei Alkohol-/Drogenabstinenz können das FLINTAS* annehmen und reagieren „ach cool...“ - Männer begegnen eher mit Ablehnung und ziehen einen damit auf.

T: Wie können soziale Prozesse „entmännlicht“ werden (zB in handwerklichen Berufen)?
–>
R: Zugang zur Thematik erleichtern und darüber sprechen was der soziale Mehrwert ist und Gedanken über Verlust von Männlichkeit kritisieren. Z.B. mit männlichen Kollegen über Sexismus sprechen
-Reflektion der eigenen Strukturen und Aktionen: wer übernimmt welche Rolle und Aufgaben? Welche sind wichtig für den Zusammenhalt ohne, dass man sie sieht?
- dabei dann ganz bewusst auf Aufgaben verzichten und komfortable Vormachtstellung aufgeben

T: Stark machen für FLINTA* im Betrieb/auf der Arbeit. Das diese z.B. vorrangig eingestellt werden und reflektieren wie mit ihnen umgegangen wird.
R: sich immer wieder fragen, was ist meine Motivation dahinter wenn ich eine Aufgabe/Rolle übernehme? Will ich gesehen werden? - oder ist es die Einsicht in die Notwendigkeit und wenn ja wie gehe ich damit um?

+ Block 2 Fortsetzung

Einige bekannte Motivationen zur Selbstreflexion:

- Konfrontation mit Szenenormen: Wie muss ich mich in diesem linken sozialen Raum verhalten um nicht anzuecken? Welche meiner Verhaltensweisen (bzw. viel eher welche Verhaltensweisen anderer Männer) werden mir als problematisch aufgezeigt?
Dabei gibt es innerhalb linker männlicher Biografien enorme Unterschiede welche Räume genutzt wurden und werden (je nach Stadt/Land und/oder polit. Kontext), inwiefern also antisexistische Ansprüche innerhalb des Raumes durch Feministi*innen durchgesetzt wurden.
→ Nach und nach Anpassung an pro-feministische Szenenormen, Verhaltensänderungen, unter Umständen auch Einsicht (Pogo und andere Rücksichtslosigkeiten, offensives Rumgemackere, Diskussionsverhalten, Gendern → leicht Änderbares, Einsehbares).
Probleme: Männliche Interessen werden so nicht unbedingt reflektiert, sich mit Männlichkeit zu beschäftigen bleibt Geschmacksfrage und man kommt erstmal gut in der Szene klar. Die Frage um die man sich dreht ist: Wie kann ich hier denn noch Mann sein, wie viel Männlichkeit bzw. wie viel von meinem männlichen Charakter geht hier? Mit wie viel eck ich an?
→ Räume und Szene entsteht in der es (vermeintlich) spürbar „angenehmer“ zu geht als in der Restgesellschaft.

- Dekonstruktion von Geschlecht: Der Wille als linker Mann kein Sexist zu sein findet im (De-)konstruktivismus seine passende Theorie. Unmittelbar einsehbares männliches Verhalten wird abgelegt, Crossdressing & Nagellack sind en vogue usw. Frage um die man sich hierbei dreht: Wo schränkt meine männliche Sozialisation mich und meine freie Entfaltung ein?
→ (Wieder-)Herstellung von männlicher Souveränität und Pluralisierung von Männlichkeit („ich bin ich und kein Mann und ich kann sein wie ich will“)
Probleme: Beliebigkeit, Zurückweisung von Kritik an eigener Männlichkeit durch Verweis darauf, dass wir Geschlecht und binäres Genderdenken doch eigentlich überwinden wollten. „Kritisiere mich als Mensch und nicht als Mann“
–> Erhaben sein über feministische Kritik.

- Direkte Kritik von FLINTA/Feministinnen: Auslöser für Betroffenheit, Direkte Negation des Selbstbilds als Linker, pro-Feminist, Antisexist.
→ Mögliche Reaktionen: ernsthafte Auseinandersetzung mit der Kritik, aber viel wahrscheinlicher: Akzeptieren der Kritik bzw. demonstrative Unterwürfigkeit, eingeschüchtert sein ohne große Reflexion
→ Abstellen/Änderung von Verhalten, um nicht mehr in die Situation zu kommen kritisiert zu werden. Oder Abwehrhaltung: „SO war das gar nicht gemeint“, „Das hat doch nichts mit Männlichkeit zu tun, so bin ich halt. Kritisiere mich aber tu nicht so als wäre ich ein Mann wie die ganzen anderen Typen da draussen.“ Bis hin zu antifeministischen Klassikern: „Die übertreibt, ist hysterisch, hat eh was gegen mich usw.“.

Fragen: Wie reagiere ich auf Kritik von FLINTA? Wie wenn die Kritik von gestandenen Feminist*innen kommt und nicht von „bürgerlichen“ FLINTA? Wenn ich das Gefühl habe ich verstehe die Kritik nicht oder finde sie ungerechtfertigt, stelle ich Nachfragen? Will ich die Kritik wirklich verstehen? Wie habe ich mich damit gefühlt? Bin ich verletzt und warum? Was sind meine ersten Impulse wenn ich kritisiert werde? Rechtfertigung, Abwehr, Relativierung, Unterwürfigkeit, Einsicht? Mit wem rede ich darüber wenn ich mit Kritik an meinem männlichen Verhalten konfrontiert wurde? Erhalte ich von der Person eher Zuspruch und Trost (und habe dies auch gesucht) oder vertiefe ich mit ihr die geäußerte Kritik? Rede ich mit weiblichen oder männlichen Freunden? Rede ich überhaupt mit jemandem oder mache das mit mir selbst aus? Und auch: Sexualisiere ich meine Kritikerin und wie ändert sich dadurch mein Verhalten/Einsicht/Heuchelei?

An dieser Stelle wurde festgestellt, dass der Workshop weit hinter dem Zeitplan liegt und es wurde zur Debatte gestellt, ob wir eher schneller weiter machen um mit dem Vortrag komplett durchzukommen oder ob lieber mehr diskutiert werden soll. Es gab Stimmen für beide Varianten, aber da es auch die Tendenz des Referenten war durchzukommen, gab es an dieser Stelle keine Flüsterdiskussion in Kleingruppen.

+ Block 3: Wie man als Mann in der linken, pro-feministischen Szene mitmachen kann

Einzelne Momente von linker cis-Männlichkeit werden im Folgenden besprochen, dannach immer kurze Pause um zu verarbeiten oder nachfragen zu stellen oder zu diskutieren.

Für linke cis-Männer bildet sich ein immenser Widerspruch zwischen den verinnerlicht Männlichkeitsanforderungen und den feministischen Ansprüchen der linken Szene. In der Regel wird dieser Widerspruch so gut wie nie thematisiert, wenn dann nur in einem sehr nahen intimen Umfeld (zB mit der Partnerin, Freundin auf deren Kritik hin - noch seltener mit anderen Männern). Dieser Widerspruch wird zum inneren Tabu und damit auch zum Tabu in der linken Öffentlichkeit. Es gibt keinen Raum (meist weder privat, noch innerhalb der Szene) um diesen Widerspruch angstfrei zu thematisieren. Wie gehen linke cis-Männer mit diesem Widerspruch um?

- Aufbau eines Selbstbildes das Richtige zu wollen und das Richtige zu tun. Bürgerliche Charaktere und insbesondere Linke neigen dazu sich selbst als vortreffliche Persönlichkeiten zu fühlen und zu präsentieren. Der Gedanke, dass das eigene Handeln und die eigene Sicht nicht mit den eigenen oder vorgegebenen Zielen übereinstimmt ist insbesondere für Linke Männer, die ja eine bessere Welt wollen, schwer erträglich. Eigene männliche und misogyne Verhaltensmuster, Gedanken und Gefühle werden so niemals thematisiert, verschwiegen, versteckt und somit weder für einen selber noch für andere (be-)greifbar. Es ist wichtig diesen Schein das Richtige zu wollen und dann auch zu tun um jeden Preis aufrecht zu erhalten. (Wichtigkeit sowohl Sozial als auch Persönlich). In der Regel betreiben linke cis-Männer den Aufbau dieses Selbstbildes ganz für sich allein und machen sich Gedanken um und für sich. Wenn sich doch ausgetauscht wird entsteht tendentiell ein Diskurs, dass wenn über Männlichkeit geredet wird irgendwelche abstrakten anderen Männer gemeint sind (Meistens hat man dann widerliche Chauvinisten aus der Normalogesellschaft im Kopf).

- Abgrenzung (bzw. Konkurrenz) zur restlichen Männergesellschaft, Punkerprollos, Antifamackern, Theoriewichsern usw. zur Bildung einer neuen „positiv-kritischen“ Männlichkeit (→ Stolz auf das gute Abschneiden in diesem Vergleich und Angst bei Kritik eigener Männlichkeit mit „denen“ in einen Topf geworfen zu werden). Außerdem: Innerhalb linker „kritischer“ Männerrunden werden oft Themen angesprochen bei denen man sich selber sicher fühlt und das Gefühl hat man hat vielleicht schon „mehr gecheckt“ als andere Leute. Dinge von denen man selber spürt „da stimmt was nicht mit mir im Verhältnis zur feminsistischen Kritik, darüber zu reden wäre mir sehr unangenehm bzw. geht gar nicht“ werden tendentiell versteckt, nicht thematisiert oder einfach als Thema ganz verworfen und es bildet sich eine Verweigerungshaltung, die gerne noch mit fadenscheinigen Argumenten begründet wird. Gegenseitige Kritik an Männern kommt in der Regel erst dann auf, wenn man sich selbst an einem Reflexionsstand sieht, dass man das „kann“ und „darf“. Man muss sich also in dieser Hinsicht zunächst (vermeintlich) souverän fühlen bevor man Kritik an eigener oder fremder Männlichkeit übt. Unsicherheit bzw. unsichere Kritik wird in dieser Hinsicht eigentlich nie thematisiert.
→ Linke Cis-Männern fehlt die geistige Technik sich selbst als Widersprüchlich wahrzunehmen. Es bestehen ungemein viele Varianten sich Legitimationen für das eigene Verhalten zurechtzulegen um das Urteil „frauenfeindlich“ nicht an sich ranzulassen.

- Da insgesamt sehr sehr selten außerhalb formalisierter Krit-Ma-Treffen über Männlichkeit und eigene Misogynie geredet wird, entsteht unter linken Männern oft das Bild von „alle verhalten sich tadellos (oder geben sich demonstrativ Mühe), alle haben wohl alles gecheckt, ich kann jetzt hier ja nicht der einzige sein der noch nicht so weit ist.“ Dieses Bild anderer linker Männer liegt auch schon nach kürzester Zeit innerhalb der linken pro-feministische Szene vor und wird irgendwie vorausgesetzt, ohne das es dafür einen großen tiefgehenden Austausch braucht. Bei anderen linken Männern geht man einfach quasi „vom Guten“ aus, ohne dass es irgendeine Art von Rechenschaft gibt, außer dass man sich an Normen halten muss und verschont von feministischer Kritik bleibt. Männer die (regelmäßig) Kritik abbekommen eignen sich dann als Material der Selbstdarstellung- und Vergewisserung wie gut man doch im Vergleich zu denen ist sowie zur Abschreckung.

- Im Zuge dieser männlichen Konkurrenz und der eigenen Selbstbildpflege werden dann Aussagen über Männlichkeit entpersonalisiert und es wird selten in der Ich-Form geredet sondern über Männer allgemein. Man erspart sich also über sich selbst zu reden und thematisiert Männlichkeit indem man allgemeine, feministische Gesellschaftskritik rezitiert. In einem solchen Diskurs kommt die eigene Männlichkeit und Misogynie und auch die der Genossen nicht mehr unmittelbar vor. Es entwickelt sich eine Art Männerbund durch eine Kultur der Unverantwortung gegenüber patriarchalen (geistigen) Strukturen innerhalb der Szene. (Jeder denkt von jedem erstmal prinzipiell gut, wenn der sich denn in der linken Szene bewegt und wenn man mit sich selber ja Männlichkeitskritik ausmacht, dann werden das die anderen Männer bestimmt schon auch gemacht haben und das passt dann ja → Keine gegenseitige Verantwortung innerhalb des männlichen Teils der Szene)

- Gleichzeitig liegt dem Vermeidungsverhalten andere linke Männer, Freunde und Genossen nicht mit problematischen Verhalten zu konfrontieren, das zu bearbeiten und in einen gemeinsamen Austausch zu gehen, die Angst zu Grunde, dass man dann auch selber von solcherlei Kritik betroffen sein wird. Männerbündelei entsteht dadurch, dass man bei anderen cis-Männern innerhalb der Szene prinzipiell vom Guten ausgeht (und kritisiertes Verhalten seinen Freunden nicht zu traut oder herunterspielt); sich nicht gegenseitig verantwortlich hält; nicht in kollektive Auseinandersetzungsprozesse geht, wenn man mitbekommt das jemand von Feminist*innen auf den Deckel kriegt und diese Kritik nicht weiter thematisiert; dass es unglaublich unangenehm ist andere Männer, insbesondere Freunde zu konfrontieren; dass es eine Angst davor gibt sich positionieren zu müssen, wenn Freunde auf den Deckel kriegen und meistens hofft, dass die sich dann ändern bzw. ihr Verhalten abstellen ohne mit ihnen darüber reden zu müssen usw. Männliche Verhaltensmuster bleiben so unter Männern unangesprochen, werden versteckt oder ignoriert.

- Heuchelei: Einhaltung von Normen in öffentlichen Situationen aber nicht im Privaten (Reflexion bzw. Zügelung des eigenen Redeanteils auf dem Plenum, aber in der lockeren Runde nach zwei drei Bierchen sieht es dann schon anders aus; Reproarbeit in Politkontexten wird übernommen, aber sobald man daheim in der WG ist hat man halt einfach ein „anderes“ Sauberkeitsbedürfnis als Mitbewohner*innen; Heuchelei in intimen Beziehungen, dass man weibliche Persönlichkeit spannend findet aber wenn es dann nicht im Bett nach den eigenen männlichen Spielregeln abläuft wird die andere Person uninteressant, kompliziert, hat nicht gepasst oder es wird einfach nicht mehr kommuniziert um sich wortwörtlich aus der Affäre zu stehlen usw.)

- Angst vor „feministischer Bestrafung“ und als „unreflektiert“ gelabelt zu werden, Linke Typen die immer wieder ins „Fettnäpfchen“ steigen kennt jeder (Bild des Fettnäpfchens sagt schon das Verhalten eigentlich nicht so problematisch ist, sondern nur im falschen sozialen Kontext geäußert wurde), Mitbekommen, dass Typen was auf den Deckel kriegen, für Dinge die man selber so oder ähnlich gemacht hätte/hat oder als wenig problematisch empfindet.
→ Lieber Klappe halten, verstecken, heucheln als sich mit eigener verinnerlichter Misogynie auseinanderzusetzen.
→ Dieses Gefühl von Angst/Unwohlsein (insbesondere in von Feminist*innen dominierten Kontexten) wird in der Regel niemals thematisiert sondern mit sich selber ausgemacht. Cis-Männer sind hier in einer ungewohnten Position, da sie es gewöhnt sind sich gegenüber Frauen* durchzusetzen, zu beschwichtigen, zu argumentieren bis zum letzten Wort, zu verhandeln, mit Gegenkritik zu kontern, zu psychologisieren oder zu manipulieren, auf jeden Fall irgendwie gut davon zu kommen. Innerhalb feministischer Kontexte sind sie mit Frauen* konfrontiert, die eine kollektive Macht haben und diese durchsetzen können.
→ Negation des erlernten Überlegenheitsgefühls und es stellt sich das ungewohnte Gefühl von Machtlosigkeit gegenüber Frauen* ein. Linke Cis-Männer erleben sich in einem ungewohnten Abhängigkeitsverhältnis von der Gunst von Frauen*, die Ihnen auf einmal ihre Teilnahme am Projekt „linke Szene“, die Aufrechterhaltung ihres eigenen Selbstbildes und den Zugang zu innerlinker Sexualität verwehren könnten.

- Rückzug auf passive Position/“Herrschaftliche Ignoranz“: Antisexismus, Feminismus und Männlichkeitskritik wird überwiegend von FLINTAs geleistet. Auch hier ist es für cis-Männer wieder eine Geschmacksfrage sich zu beteiligen. Weil man selber keine Lösung für patriarchale Strukturen weiß und/oder es von weniger Interesse ist, als andere Tätigkeiten zieht man sich auf passiven Standpunkt des Ally zurück. Gegenüber Feminist*innen pflegt man dann eine seltsam ehrfürchtige Haltung und wartet darauf, dass von ihnen die großen Antworten kommen wie man mit beispielsweise sexistischen Strukturen in der Szene und innerhalb von Politarbeit, sexualisierter Gewalt oder generell Männlichkeitskritik umgehen sollte. Es wird quasi einfach unterstellt, dass die Unterdrückten selbst einen Masterplan hätten wie ihre Probleme zu lösen sind (als ob das mit dem Proletariat funktionieren würde) und man kann sich somit selbst aus der Verantwortung nehmen an sich, Genossen, Freunden und den Strukturen gemäß feministischer Kritik etwas zu ändern. (Das soll nicht heißen, dass pro-feministische cis-Männer sich nicht eng an den Forderungen von Feminist*innen orientieren sollten!)

- Übernahme von Sorgetätigkeit liegt überwiegend weiterhin bei Frauen*, die ganz selbstverständlich im Freundinnenkreis (oder als Partnerin) dafür herhalten. Liebevoll, fürsorgliche Beziehungen unter cis-Männern sind sehr sehr selten (auch weil ihnen die Skills fehlen um sie zu übernehmen). Gleichzeitig sind Freund*innen und insbesondere Partner*innen, die Personen die am meisten und häufigsten Männlichkeitskritik bei einem selber üben. Es kann für Partner*innen einen enormen Konflikt bedeuten die eigenen feministischen Forderungen an einer geliebten Person durchzusetzen und sich gleichzeitig in der Rolle sozialer Verantwortung für das Wohlbefinden auch ihrer cis-männlichen Freunde zu sehen. Cis-Männer werden deshalb in freundschaftlichen Beziehungen tendentiell geschont und Ausreden und Abwehr für problematisches Verhalten werden tendentiell leichter durchgehen gelassen. Konflikte, die in engen intimen Beziehungen angesprochen und ausgetragen werden, sind ihrer Natur nach viel eher auf Versöhnung aus. Gleichzeitig nötigt man seinen feministischen Freund*innen einen enormen Loyalitätskonflikt zwischen Liebe auf der einen Seite und feministischer Solidarität auf der anderen Seite auf, insbesondere wenn Kritik von anderen Feminist*innen geleistet wurde. (a la: Wie kannst du nur mit so einem Typen zusammen sein, befreundet sein, verteidigen, lieben?) Freundschafts- und Liebesdynamiken können so auch Mittel sein sich heftigerer feministischer Konfrontation zu entziehen und sich in einer Komfortzone des „Liebgehabtwerdens“ zu begeben und immer wieder das ersehnte Bild zurückgespiegelt zu bekommen, dass man gar nicht so ein doofer Kerl ist. (→ Wichtig wäre dagegen ein Klima des Kritik Aushaltens und Einforderns innerhalb von Freundschaftsbeziehungen zu etablieren und sich auch dafür Verantwortlich zu fühlen Freund*innen/Partner*innen nicht in diese Lage zu bringen.)

Schlußfolgerung: Innerhalb der linken Szene reproduzieren sich im Bezug auf pro-feministische Männlichkeit stinknormale Männlichkeitsanforderungen:

1. Souveränität (Mich mit meiner eigenen Männlichkeit auseinandersetzen mach ich allein und das wird dann schon passen)
2. Unnahbarkeit/Unangreifbarkeit (Abwehr, Vermeidungsverhalten kritisiert zu werden, Beissreflexe, Individualisierung von männlichem Verhalten, Unangehemes Gefühl wenn einen feministische Kritik trifft und nicht „danke dass du mir durch deine Kritik mein Fehlverhalten aufgezeigt hast“)
3. Konkurrenz (Ich bin besserer, kritischerer, feinfühliger, feministischer Mann als irgendwer anders, in sozialen Zusammenhängen sich bloß keine Blöße geben, nichts falsch machen wollen)
4. Selbstdarstellung (Ich rechne mal anderen vor wie viele Privilegien ich schon gecheckt habe, Pose des Bescheidwissers wie man sich richtig zu verhalten hat)

+ Diskussion Block 3

T: Ansprechen von männlichem Verhalten bleibt oft an FLINTA* hängen. „Wer bin ich, das zu kritisieren?“ „Ich will selbst keine Doppelmoral an den Tag legen...“ Unsicherheit andere cis-Männer zu kritisieren, weil man um seine eigenen Fehler weiß.

R: Weg gehen von dem Gedanken, dass die ganze Person kritisiert wird. Es ist Kritik an Verhaltensweisen und nicht an der ganzen Person! Unsicherheit ist Zeichen dafür, dass man selbst nicht mit den eigenen Widersprüchen umzugehen weiss. Für FLINTA ist das auch nicht leichter. Besser auch mal unsichere Kritik äußern als gar nichts machen.

Aus der FLINTA-Runde: die fehlende Solidarität bei der Thematisierung von sexuellen Übergriffen stellt ein großes Problem dar, denn Frauen stehen häufig als selbst-Betroffene oder Freundinnen vor der Aufgabe das zu thematisieren. Auch sie müssen sich erst trauen und lernen diesen Schritt zu gehen. Männer als nicht-Betroffene sind dabei in einer anderen Position, die sie sich klar machen sollten. Wenn sie es thematisieren, dann nicht rummackern/sich profilieren, sondern Verantwortung übernehmen und den Zugang zum Täter suchen. Es braucht eine Praxis dafür, die Männer untereinander entwickeln und etablieren können.

T: Wenn Typen andere Typen kritisieren, dann wird das häufig nicht so ernst genommen, wie wenn es von Frauen kommt.

Aus der FLINTA-Runde: permanent für die emotionale Carearbeit zur Verfügung zu stehen ist sehr anstrengend, der Anspruch dem wir dabei gerecht werden sollen ist hart. Wenn Männer lernen das untereinander zu machen, dann ist das eine große Entlastung. Ein „How-to emotionale Carearbeit“ wäre dafür sehr hilfreich! „Manchmal einfach nur zuhören“ wäre ein erster Schritt…
Einschub: Dieses How-to ist während des Workshops nicht entstanden, wir lassen dies aber in zukünftige Überlegungen zum Workshop einfließen, um das kollektiv zu erarbeiten.

T: Häufig heucheln Männer wie reflektiert sie sind, je nach Kontext und wo sie sich gerade bewegen.
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R: das zu durchschauen und sichtbar zu machen ist wichtig, denn dann kann ein offener Austausch darüber entstehen.

T: Um Crossdressing zu betreiben und Nagellack zu tragen muss man kein Feminist sein.

R: Es geht bei der Kritik um die „nicht-angreifbar-Mentalität“ die sich Männer zulegen und auch ausnutzen, wenn sie sich als „nicht-männlich“ geben und oberflächliche, äußere Veränderung an sich betreiben.

+ Block 4: Kritik der "kritischen Männlichkeit"

Neben diesen subjektiven Techniken mit dem inneren Widerspruch möglichst unwidersprochen in der linken Szene klar zu kommen, gibt es auch die Momente, an denen linke cis-Männer ein wirkliches Erkenntnisinteresse oder den Wunsch nach pro-feministischer Praxis haben:

- Autonome Szene/Linke Räume: Deutlichere Kommunikation, dass hier ein Raum ist, in dem mann sich nicht daneben benehmen darf!
→ Intensivierung der Kommunikation von Szenenormen

- Theorielinke: Beschäftigung mit feministischer, männlichkeitskritischer Literatur oder der Wunsch eine „angemessene“ Theorie auszuarbeiten.
–> Problem: Abstrakte Gesellschaftstheorie(n) lassen im Bezug auf die individuelle Ausprägung eigener Männlichkeit und Misogynie einen zu großen Spielraum sich nur mit dem unmittelbar zugänglichen eigenen Aspekten (wenn überhaupt) oder mit dem was man gerade selber interessant findet zu beschäftigen. Es besteht die naheliegende Gefahr der Projektion auf „andere“ „normale“ Männer, bei denen man oft das Gefühl hat Männlichkeit läge bei denen als Reinform vor. Außerdem liegt dem theoretischen Interesse ein Souveränitätsanspruch zu Grunde, „erst alles begriffen haben zu müssen“ bevor man aktiv werden kann, dabei geht es doch um die Analyse der eigenen und fremden Psyche. Die dafür notwendige „Theorie“ ist vorhanden, nur die Bereitschaft sich kollektiv und eng an feministischer Kritik orientiert damit zu beschäftigen ist es nicht. (suche nach Bedienungsanleitung, Masterplan, Gefühl der Erhabenheit über den Gegenstand). Ausspielen des Allgemeinen gegen das Besondere weil man in dem Fall selbst das Besondere ist.

Meist ausgelöst durch feministische Kritik oder einen konkreten Anlass bilden sich oft sehr kurz bestehende „kritische Männlichkeits“-gruppen mit dem ernsthaften Ziel sich mit Männlichkeit zu beschäftigen. (Kann aber auch das Gefühl von Strafarbeit haben)

Auftretende Probleme:
- Ähnlich wie bei der reflexhaften Anpassung an Szenenormen können sich kritische Männlichkeitsgruppen um die Frage drehen: Wie kann ich und wie darf ich in der linken Szene noch Mann sein? Verschiebung des Fokus von kritischer Männlichkeit, weg von „Männlichkeit“ hin zu „kritisch“ - als identitätsstiftender Gegenpart zur toxischen Männlichkeit. → Kritische Männlichkeit bietet also das Angebot eine neue, „positivere“ Männlichkeit sich zuzulegen, sich zu läutern und sich mit seiner Männlichkeit zu versöhnen.

- Dass es um diese Versöhnung mit der eigenen Männlichkeit und dem Wunsch nach Akkzeptanz und Unkritisierbarkeit in der pro-feministischen Szene geht, merkt man auch daran, dass die Ergebnisse meist individuell-persönliche Erkenntnisse für einen selber sind und keine pro-feministische Praxis oder Teilhabe an feministischer Bewegung aus ihnen folgt.

- Gesprächsthemen sind oft die Themen, die in politischen Kontexten und Hobby-/Interessens-/Männerfreundschaften keinen Platz haben – Emotionalität, Sexualität und Beziehung. Oder Themen die als unmittelbar Begreifbar erscheinen.

- Erfahrungsaustausch kreist oft um Momente, an denen man selbst von patriarchaler Unterdrückung betroffen war/ist: Puppen weggenommen, Hänselein/Entmännlichung in der Jungsclique, Unsicherheiten beim Sex, Weinverbot, sich für Dinge interessieren zu müssen die einen nicht interessieren, Einschränkungen durch Männerkonkurrenz (meist aber nicht explizit gegenüber Freunden/Genossen/Teilnehmenden der Gruppen, sondern weit zurückliegende Gruppen wie Fußballverein oder Schulklasse. Die Frage in welches Verhältnis setze ich mich eigentlich zu den anderen cis-Männern in meiner Politgruppe und welches Bild habe ich von denen, wird nicht thematisiert)
→ Richtig und wichtig diese eigene Zurichtung auch zu sehen, zu begreifen, zu betrauern, sich auszutauschen.
ABER: Dynamiken, dass cis-Männer versuchen auf die selbe Art wie Frauen* patriarchale Unterdrückung zu begreifen, nämlich von ihrer Unterdrückungserfahrung auszugehen. Wichtiger ist aber: Welche Rolle spiele ich für und in diesen Unterdrückserfahrungen von Frauen*?
–> Eingestehen der eigenen Misogynie ist wesentlich schwieriger und wenn sowas thematisiert wird dann meistens Ereignisse zeitlich vor dem Szeneeintritt bzw. vor dem „momentanen Reflexionsstand“, also Ereignisse von denen man sich gut abgrenzen kann.

- Beispiel: Wenn es darum geht, dass sich Frauen* in Räumen nicht ernstgenommen fühlen ist es einfach leichter zuzugeben, dass man das von sich vielleicht aus der weiten Vergangenheit kennt, anstatt offen und ehrlich zu thematisieren, was es für einen selber für einen Unterschied macht im hier und jetzt (egal ob in Diskussion, auf der Baustelle, oder am Thresen), ob man einem gestandenen linken Mannsbild gegenüber sitzt oder einer kleinen, zierlichen Frau, die vielleicht auch noch den eigenen Attraktivitätsmaßstäben entspricht. (zum Beispiel Infantilisierung, Paternalismus, Sexualisierung oder auch Furcht/Eingeschüchtertsein vor feministischem, weiblichen Gegenüber, Distanz, Gefühl von Abhängigkeit weiblicher/feministischer Meinung)
→ Diese unterschwelligen Impulse und darauf basierendes Verhalten erzeugen in ihrer Gesamtheit die Erfahrung des Nicht-ernstgenommen werdens und führen unter anderem dazu, dass sich Frauen* auch in der Linken erst beweisen müssen, bevor man mit ihnen „kumpelhaft“, also normal, umgeht. Mit solchen Momenten, die man auch selber mehr oder weniger merkt, wird wieder nicht gemeinsam und öffentlich umgegangen. (→ Gefahr der blinden Flecke, des Versteckens).

Andere Dynamik - Auseinandersetzung mit Verhalten: Beispielsweise wird über dominantes Redeverhalten geredet. Alle Teilnehmenden zählen ein paar Situationen auf wo sie das auch schonmal an sich gemerkt haben und erörtern das Problematische, Einschränkende daran. Man ist sich einig darüber das ein Verhalten stört und warum es stört. Was aber nicht passiert ist die Rückfrage auf das Intentionale und Emotionale. Wie ist mein innerer Bezug auf mein weiblich gelesenes Gegenüber? Inwiefern beeinflusst meine Wahrnehmung des Gegenübers als Frau, was ich ihr zu traue in Diskussionen oder auf der Baustelle? Fühle ich mich angegriffen (durch Kritik) und will die andere Person nicht zu Wort kommen lassen? Welche Gefühle und Wünsche hatte ich in der Situation? Überlegenheit oder Unterlegenheit? Überlege ich mir wie es der anderen Person damit geht? Welche Gefühle und Identitätsstiftenden Momente, tauchen auf wenn ich das Gefühl habe mich in einer Diskussion durchzusetzen?
Oft ist aber mit dem Benennen das man dominantes Redeverhalten auch bei sich kennt und einer allgemeinen Kritik daran die Selbstreflexion vorbei und es wird sich die schmerzhafte Selbsterkenntnis der dahinter liegenden Gründe erspart. Es wird den Gefühlen von Zerrissenheit zwischen so manch eigenen Intentionen, Impulsen und Emotionen und dem eigenen linken Selbstbild ausgewichen. Das Ergebnis sind dann oft Männer, die sich für geläutert halten und noch weniger in der linken, pro-feministischen Szene anecken ohne dabei aber die eigene Vormachtstellung, das eigene Selbstbild und das eigene Frauenbild aufzugeben oder anzutasten.

→ Dabei gilt es eigentlich sich eine innere Haltung anzugewöhnen dieses Gefühl von Zerissenheit, Unsicherheit und Widersprüchlichkeit zuzulassen und zu thematisieren, als notwendigen Schritt zur Bearbeitung von verinnerlichter Männlichkeit und Misogynie. Dafür braucht es unter anderem:
- Durchschauen eigener und fremder Abwehr- und Legitimationstechniken.
- Distanz zu unmitelbaren Impulsen bei Kritik. Lieber mit der Haltung ran gehen „es könnte wirklich sein, dass ich ein verkorkstes Frauenbild habe und nicht mal so recht merke“ anstatt immer vom Gegenteil und von der eigenen Vortrefflichkeit auszugehen.
- Eingestehen, dass es in diesem Fall eine Bearbeitung der eigenen Psyche braucht ohne, dass wie sonst bei Psychotherapien, ein eigener Leidensdruck vorhanden ist.
- Räume schaffen in denen angstfrei über den Widerspruch zwischen Mann sein im Patriarchat und sich in pro-feministischer Szene zu bewegen gesprochen werden kann.
–> Zum Beispiel hab ich Angst wenn ich hier über einige Momente meiner eigenen Misogynie spreche, dass mich dannach mindestens die Hälfte der Leute hasst oder mit anderen Augen sieht. Aus dem selben Grund hab ich auch über ganz vieles heute nicht geredet und mir gut überlegt und zurechtgelegt wie ich über solche Dinge spreche.
- in kollektiven Austausch mit anderen Männern gehen und sich eine solidarisch-kritische Haltung angewöhnen → Weg von: Das mach ich mit mir selber aus
- sich innerhalb seiner männlichen Community gegenseitig verantwortlich halten, kritisieren, auch mal nachbohren, nicht mehr Konflikten ausweichen, nicht mehr davon ausgehen, dass andere und neue Männer innerhalb der Szene, das schon irgendwie selbst auf die Kette kriegen und auch nicht/nie davon ausgehen, dass man das selbst schon auf die Kette gekriegt hat
- sich damit abfinden, dass es bei dem ganzen Prozess nicht unbedingt was zu gewinnen gibt. Es sind auch Prozesse möglich, die sich nach Verlust anfühlen, bei Charakteranteilen, die einem selber enorm wichtig sind, mir fallen da spontan so Dinge ein wie Spaß/Humor/Sprücheklopfen, Sexuelles Begehren, Diskussionsverhalten ein.


Paar Fragen zum mitnehmen als Anregung vom Vormittagsworkshop: Wo reproduziere ich das nicht-Subjekt-sein von Frauen*, Frage: Wie nehme ich Frauen wahr? Welche Rollen gebe ich denen und in welchem Verhältnis stehe ich zu Frauen* in meinem Umfeld? Wie setze ich mich zu Frauen* in Verhältnis? Wo unterstütze ich unabhängig von meinen Wünschen und Vorstellungen Frauen* in meinem Umfeld?